Der Schweif des Kometen
Der Schweif des Kometen –
Irrtümer und Legenden über das Universum
Von Neil F. Comins
„Falls ihr irgendwann mal bekannt werden wollt, werdet einfach Astronom, da könnt ihr irgendwelche Theorien aufstellen und berühmt werden...“ So etwas in der Art sagte Thomas zu uns in unserer ersten Astrostunde. Und irgendwie hat er damit auch recht. Es gibt wahrscheinlich kein Stoffgebiet, bei dem es so viele weitverbreitete Irrglauben und falsche Tatsachen gibt. Wieviel glauben wir doch zu wissen und wie wenig wissen wir in Wirklichkeit darüber? Nach dem man dieses Buch gelesen hat, ist man jedenfalls ein paar falsche Thesen losgeworden. Dabei zeigt einem Comins seine Fehler nicht vom hohen Ross eines Wissenschaftlers herab und wirft auch nicht mit Fremdwörtern und Fachbegriffen um sich – falls doch, so sind diese im Anhang erklärt, sondern er kann sich in einen hinein versetzen. So erkannte er, dass unsere falschen Auffassungen nicht daher stammen, dass wir alle dumm sind, sondern dass wir aus richtigen Informationen und Beobachtungen einfach die falschen Schlüsse ziehen. Ein Beispiel:
„Eine [...]der weitverbreiteten falschen Vorstellungen ist vielleicht die über die Ursache der Jahreszeiten. [...]Die gängige Erklärung entspricht unserer alltäglichen Erfahrung, wonach es uns um so wärmer ist, je näher wir an einem Feuer sitzen. Die Sonne ist heiß. Daher sollte es uns eigentlich um so wärmer sein, je näher wir ihr sind. Beim geringsten Abstand von der Sonne ist die Erde 147 Mio. km von ihr entfernt, beim größten sind es 150 Mio. km. Also verändert sich die Entfernung um nicht viel mehr als 2%. Könnte dies die Temperaturunterschiede erklären, die wir gemeinhin wahrnehmen?
Zwei Dinge lassen anders vermuten. Erstens, wenn der sich verändernde Abstand von der Erde zur Sonne die Jahreszeiten bewirkte, dann müßte ja eigentlich überall auf der Welt die Jahreszeiten die gleiche sein. [...] Tatsächlich sind die Jahreszeiten der südlichen Hemisphäre denen der nördlichen genau entgegengesetzt. Zweitens ist der Abstand der Erde von der Sonne am 3.Januar eines jeden Jahres am geringsten, also dann, wenn auf der nördlichen Hemisphäre tiefster Winter herrscht.
[...]Einen Wechsel in der Erwärmung der Erde allein aufgrund der wechselnden Entfernung von der Sonne hätten wir dann, wenn die Rotationsachse der Erde genau senkrecht auf der Ebene ihrer Umlaufbahn [...]stände (Orte auf unterschiedlichen Breitengraden würden sowohl auf unserem Erdmodell als auch auf der tatsächlichen Erde unterschiedliche Wärmemengen erhalten, wie wir in Kürze darlegen werden. Für die gegenwärtige Argumentation ist dies jedoch nicht von Belang.).
[...]Wenn die wirkliche Erde so ausgerichtet wäre, würde, von jedem Ort des Globus aus betrachtet, die Sonne an jedem Tag des Jahres an denselben Stellen auf- bzw. untergehen.
[...]Aber wie groß wäre dann der Temperaturunterschied zwischen Sommer und Winter? Bestände der einzige Grund für die Temperaturunterschiede auf der Erde in ihrem um 2% variierenden Abstand von der Sonne, dann wäre es im Sommer, wenn wir der Sonne am nächsten sind, vier Grad Celsius wärmer als im Winter, wenn unser Abstand zu ihr am größten ist.
[...] Der wahre Grund für die Jahreszeiten ist eine Kombination zweier Wirkungen der Neigung der Erdachse: Dauer und Stärke des Sonnenlichts. Betrachten wir die nördliche Hemisphäre, wenn sie zur Sonne geneigt ist, was im Zeitraum zwischen dem 21. März und dem 21. September der Fall ist. In diesen Monaten geht die Sonne nördlich vom genauen Osten auf, geht nördlich vom genauen Westen unter und steht mehr als 12 Stunden täglich am Himmel. Während der anderen Jahreshälfte geht die Sonne südlich vom genauen Westen unter und steht weniger als 12 Tagesstunden am Himmel. Daher ist in der Zeit vom 21.März bis zum 21. September die Sonnenscheindauer im Norden größer und im Süden geringer als während des übrigen Jahres.
[...]Der zweite Effekt, der zum Wechsel der Jahreszeiten beiträgt, ist die Intensität der Hitze und anderer Sonnenenergien, die auf die Erde treffen. Wenn die Sonne hoch am Himmel steht, fallen ihre Strahlen steiler nach unten, weshalb jeder Quadratmeter mehr Energie bekommt, als wenn sie tiefer steht. Infolgedessen wird die Erde in dieser Zeit intensiver und länger erwärmt als während der anderen sechs Monate. Das Maß an zusätzlicher Hitze, die eine Hemisphäre während der Monate mit längerem Tageslicht und direkter Sonneneinstrahlung erhält, bewirkt, dass der Sommer wärmer ist als der Winter und umgekehrt.“
Haben sie das gewußt? Falls nicht, so sind sie jetzt bestimmt erstaunt? Doch die Erklärung leuchtet ein und obwohl man über so etwas alltägliches wie die Herkunft unsere Jahreszeiten nicht genau Bescheid wusste, kommt man sich trotzdem nicht wie der Dumme vor. Und das ist das erstaunliche, was Comins mit seinem Buch geschafft hat, man ist erstaunt, man ist verblüfft und man ist gespannt, welchen Irrtümer er noch alles aus dem Weg schaffen wird. Obwohl dies ein wissenschaftliches Buch ist, ist es stellenweise spannend wie ein Krimi. Und die Lösung ist mitunter genauso knifflig wie unerwartet. Allerdings gibt es trotz alle dem eine Schattenseite, wenn man dieses Buch liest, muss man durchaus bereit sein, sein gesamtes „astronomisches Wissen“ und seine gesamten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über Bord zu werfen. Man muss sich dem Buch hingeben, wenn man das schafft, wird man es so schnell nicht wieder weglegen wollen und man wird auf manch einer Zusammenkunft staunende Blicke ernten, wenn man mal eben so den Umstehenden auf die Sprünge hilft und ihnen erklärt, dass die Sonne nicht aus Lava besteht, auch wenn es manchmal so aussieht...
Nicht zu unrecht kann man dieses Buch als ein Standardwerk bezeichnen. Und falls sie einen Bekannten haben, der sich ein bisschen für die Wissenschaft interessiert, bald ist Weihnachten...
Paul-Christian Zerbe