Fraunhofer
Joseph von Fraunhofer
Interview vom 7. Juni 1826 aus dem Krankenzimmer, Joseph von Fraunhofers (geboren am 6. März 1787 in Straubingen).
Wolfram |
Guten Tag Herr Fraunhofer, ich freue mich Sie heute zu ... |
Joseph von Fraunhofer |
Schon gut, fangen Sie an. |
Wolli |
Herr Fraunhofer, zuerst eine persönliche Frage, zu Ihren Eltern. Warum gaben Ihnen Ihre Eltern einen solch - ich denke unsere Leser können uns zustimmen - scheußlichen Namen wie „Fraunhofer“? |
Fraunhofer |
Nun, ursprünglich war es ja nicht geplant, dass ich „Fraunhofer“ heiße, doch ich schmiedete schon im Bauch meiner Mutter Pläne. Ich wollte schon immer einmal die Fraunhoferschen Linien entdecken. Und da lag es auf der Hand, mich nach meiner zukünftigen Entdeckung benennen zu lassen. |
Wolli |
Sie sprachen von Franoschen Linien? |
Fraunhofer |
Nein. |
Wolli |
Wovon dann? |
Fraunhofer |
Von mir. |
Wolli |
Können Sie mir die von Ihnen angesprochenen Linien so erklären, dass ich als Laie und unsere Leser sie verstehen? |
Fraunhofer |
Ich habe die Fraunhoferschen Linien entdeckt. Aber auch ich besitze keine übermenschlichen Kräfte. |
Wolli |
Bitte erklären Sie mir und den Lesern unserer Zeitschrift diese Linien! |
Fraunhofer |
Wenn man das Licht der Sonne auf der Erde betrachtet, sieht man, dass in seinem Spektrum einige schwarze Linien sind. Das heißt dass in diesem Licht bestimmte Farbwerte z.B. ein ganz bestimmtes Gelb nicht vorhanden ist. Und diese schwarzen Linien sind meine Linien. Insgesamt habe ich rund 500 dieser Linien gefunden. Theoretisch könnte man aus ihnen auch noch die chemische Zusammensetzung der Gashülle der Sonne erforschen, da jeder Stoff in dieser Gashülle eine ganz bestimmte Farbe absorbiert. Ich hatte aber keine Lust, das auch noch zu erforschen und darum überlasse ich das lieber unseren Nachfahren, die sollen schließlich auch noch etwas zu tun haben. |
Wolli |
Ah. Das klang ja interessant. |
Fraunhofer |
Klang es nicht. |
Wolli |
Wie haben Sie diese komischen Linien gefunden? |
Fraunhofer |
Ich habe geplant, die Fraunhoferschen Linien mit einem normalen Prisma zu erforschen. Als ich dann aber mit einem Prisma das Sonnenlicht untersucht habe, habe ich zwar Andeutungen von schwarzen Streifen gesehen, aber damit konnte man nicht wirklich etwas anfangen. Das hatte ich anfangs nicht bedacht. Deshalb hatte ich keine Wahl. Ich musste kurzerhand noch ein Spektroskop erfinden. |
Wolli |
Ein ähm ... |
Fraunhofer |
... Gerät zur genauen Untersuchung von Sonnenstrahlen – oder anderem Licht. |
Wolli |
Wow! Da haben Sie sogar noch Ihr eigenes Spektroskop erfunden? Woher haben Sie all diese Kenntnisse. |
Fraunhofer |
Nun, das eigentliche Problem war ja eher das Material. Und wie kommt man als armes Waisenkind an das Material für ein Spektroskop? Gar nicht! Deshalb hatte ich beschlossen, an das Utzschneider-Institut, wo auch Georg von Reichenbach war, zu gehen. In dieser Glashütte wurden viele optische Geräte hergestellt, zum Beispiel Teleskope, Ferngläser und Mikroskope. Ich wusste, dass es nicht einfach werden würde, ein Spektroskop zu erfinden. Also übte ich erst einmal im Verbessern der anderen optischen Geräte. Ich habe bei meinen Übungen sogar das Größte Teleskop der Erde gebaut. |
Wolli |
Wenn ich das richtig verstanden habe, wurden Sie als Waisenkind bei einer Glashütte aufgenommen? |
Fraunhofer |
Nein, die nehmen natürlich nicht jeden an, der da einfach so vorbeischlendert und behauptet, die spannendsten Linien der Welt zu entdecken. In Ihrer Branche ist das vielleicht nicht so, aber um in einer Glashütte angenommen zu werden, braucht man erst einmal eine Ausbildung, die mit Glasschleiferei oder Optik zu tun hat. Deshalb habe ich meine Ausbildung zuerst bei einem Glaser gemacht. Das Problem war aber, dass der mir jegliche Art von selbstständiger Weiterbildung verboten hatte. Ich durfte keine Bücher lesen, nicht zur Feiertagsschule. Ohne Bücher aber konnte ich mir natürlich nicht die Kenntnisse aneignen, die ich brauchte, um die Fraunhoferschen Linien zu finden. Ich steckte also in einer Sackgasse. Ich dachte schon, ich hätte vielleicht niemals die Möglichkeiten, jemals ein Spektroskop zu erfinden um dann die Fraunhoferschen Linien zu erforschen. Es war so schrecklich. |
Wolli |
Was haben Sie getan? |
Fraunhofer |
Das wollte ich Ihnen ja gerade erzählen, aber da müssen Sie mich auch mal ausreden lassen! |
Wolli |
Tut mir Leid. |
Fraunhofer |
Ich habe lange überlegt. Und dann kam mir eine Idee, ein genialer Plan: Ich brachte am Haus meines Lehrmeisters ein paar Dynamitstangen an. Diese zündete ich. Das Haus stürzte sofort ein. Ich rannte schnell zum Haus und verbuddelte mich unter den Trümmern. Dann wurde ich geborgen. Es sah für alle so aus, als hätte ich den Einsturz überlebt. Ich wurde stadtbekannt und habe auch dem Kurfürsten heimlich die Nachricht von dem Einsturz zukommen lassen. Dieser hat mir dann 18 Dukaten (entspricht 5000 €) geschenkt, um meine Fähigkeiten zu fördern. Mein Plan war also geglückt. Mit diesen 18 Dukaten hatte ich genug Geld für eine richtige Ausbildung mit einem richtigen Lehrmeister. Ich lernte sehr viel zur Glasschleiferei und Optik. So war es auch kein Problem mehr, in die Glasschmelze in Benediktbeueren einzutreten - von der ich dann später sogar unerwartet Leiter geworden bin. |
Wolli |
Als Waisenkind ein Haus einstürzen lassen, dann Lehre, um in die Glasschmelze einzutreten, dann die Erfindung des Spektroskops - und das alles nur um ihre Linien zu finden? |
Fraunhofer |
Was tut man nicht alles für seinen Lebenstraum. |
Wolli |
Ähm, ja! Zur nächsten Frage. Nun sind Sie schon etwas in die Jahre gekommen und werden auch bald sterben. Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Menschen und der Wissenschaft? |
Fraunhofer |
Es ist schon fast kein Traum mehr. Ich sehe es schon so klar vor mir. Eine Gesellschaft, die die angewandte Forschung fördert. Nach meinem Vorbild: Exakte wissenschaftliche Arbeit verbunden mit deren Anwendung in innovativen Produkten. Und diese soll dann den Namen Fraunhofer-Gesellschaft tragen. |
Ein Arzt tritt ins Zimmer. |
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Arzt |
Was machen Sie denn hier? Herr Fraunhofer hat Lungentuberkulose. In diesem Zustand können Sie ihn doch nicht einfach interviewen! |
Wolli |
Ich bin von der Presse. |
Arzt |
Schon gut. Herr Fraunhofer? |
Fraunhofer |
hm? |
Arzt |
Herr Fraunhofer. Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Zuerst die Gute: Sie haben noch einen Tag zu leben. Die Schlechte: Ich habe es gestern vergessen, Ihnen zu sagen. |
Wolli |
Entschuldigung, Herr Fraunhofer, soll ich jetzt vielleicht doch besser gehen? |
Arzt |
... er hätte „Ja“ gesagt. |
Ein Interview frei nach der Realität von Andreas Lang (E-Mail: langandreas [at]gmx.net)