Der das Unendliche kannte
Sehr geehrter Srinivasa Ramanujan,
Ich habe beschlossen dir einmal einen Brief zu schreiben. Doch auf diese Idee bin ich nicht ohne Grund gekommen. Im Mathematikunterricht sollten wir uns ein Buch heraus suchen und zu diesem eine Buchkritik schreiben. Ich hab Ewigkeiten in der Bücherkiste gewühlt und bin schließlich auf deine Biografie gestoßen.. „Der das Unendliche kannte!“ lautet der Titel. Für mich war es kaum vorstellbar, dass es sich hierbei um eine Biografie handelt, ich dachte eher an einen Fantasy-Roman. Doch wie sich im Laufe der Zeit heraus stellte war es alles andere als das. Das Buch ist eine Art Biografie von dir, ist jedoch in einer aufregenden Geschichte verpackt. Besonders fasziniert hat mich auch, dass es nicht nur um deine Mathematik geht, sondern auch um Geschichte. Das Buch ist sehr Lebensnah geschrieben, humorvoll und traurig zu gleich. Es wird viel über deine Familie erzählt und über deine Schule die du in jungen Jahren besucht hast. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl mich mit dir identifizieren zu können. Du bist deinen Weg gegangen ohne dich von irgendjemand ablenken zu lassen, das finde ich toll!
Gleich die ersten Seiten haben mich ein wenig gefesselt.
Mein Bild von einem Mathematiker waren zuvor langweilig, ich hatte ein Bild von einem alten Mann im Kopf der mit einer Zigarre in seinem Kämmerchen sitzt und über die Kunst der Mathematik philosophierte. Ich wurde jedoch vom Gegenteil überzeugt:
„Ramanujan war ein einfacher Mensch. Seine Bedürfnisse waren einfach, auch sein Verhalten und sein Humor!“ Dieser Satz, auf den ersten paar Seiten deiner Biografie, war spannend und irgendwie auch komisch. Es war so einfach daher geschrieben und schien jedoch mein Bild im Kopf zerplatzen zu lassen..
Das ganze erste Kapitel erzählt von deiner Person an sich. Wie du lebtest, was du tatest um die Stunden auf der Schulbank schneller vergehen zu lassen und welche Beziehung du zu deiner Familie und deinen Geschwistern hattest.
Für mich erscheinst du wie ein „normaler“ Mensch, obwohl „normal“ ja auch wieder relativ ist, wie sich im Laufe noch herausstellen lies. Du warst bodenständig, arbeitest hart und „bist kein Fachidiot“. Deine Menschlichkeit erstaunte mich, dies war auch der Grund dafür dich zu duzen.
Ich bewundere an dir, dass du so stark sein kannst, trotz, dass viele deiner Geschwister entweder früh verstorben -oder überhaupt nicht das Licht der Welt erblickt haben. Dies bedaure ich sehr!
Du hast dich davon nicht unterkriegen lassen, dass bewies mir, dass du stark warst.
Du konntest schon mit jungen Jahren rechnen und „anderen Schülern bei mathematischen Problemen helfen“. Hilfsbereit warst du also auch?
Bei der Frage: „Ist Null geteilt durch Null eigentlich auch Eins? Wenn ich keine Früchte habe, und sie auf keine Menschen aufteile, bekommt dann auch jeder eine?“, musste ich schmunzeln.
„Er wurde so etwas wie eine kleine Berühmtheit!“ Auch wenn dich nur wenige Lehrer und Schüler verstanden haben, bekamst du einen Schulpreis nach dem anderen. Bist du da nicht abgehoben?
Die Lehrer wollten schließlich nur wegen dir die, eine bessere Note als Eins erfinden?!
Deine Begeisterung für die Mathematik zeigte sich auch, als du in der Abschlussprüfung „nur“ zweiter wurdest, und dich heulend auf dem Klo eingeschlossen hast, weil du dachtest du seist besser. Und du konntest es nicht lassen, immer wieder versuchtest du besser zu sein als die anderen deiner Schule. Woher kommt nur dieser Ehrgeiz? Kommt es dadurch, dass du einfach WUSSTEST das du es besser konntest und weil du es DACHTEST?
Wie auch immer, dies ist mir noch nicht schlüssig!
Nun habe ich ein paar Seiten übersprungen, denn sonst würde dieser Brief noch länger werden, als er ohnehin schon ist!
Als du Hardy kennen gelernt hattest und er nun so begeistert von dir war, dass er deine Werke zu Nevill schickte, was hattest du für ein Gefühl?
Hattest du eher Angst vor seiner Antwort oder sahst du es entspannt und locker?
Ich kann mir schon vorstellen, dass man bei so vielen Erwachsenen Menschen ein bisschen Respekt bekommt und „schiss“ hat, dass ihnen deine Werke doch nicht zu stimmen könnten..
Und als dann schließlich das Urteil fiel, dass du nach England gehen solltest, musstest du lang überlegen ob du das Angebot annimmst? Schließlich machtest du damit die Entscheidung deines Lebens, denn du würdest ja deine Familie, Freunde und Verwandte hinter dir lassen.
Aber schließlich machtest du ja doch diesen Entscheidenden Schritt und dein Weg führte schließlich nach England..
Nun bin ich schon wieder vom Thema Mathematik abgeschweift..
Das mit den Primzahlen (S.192) und die Feststellung: „Es gibt keine letzte Primzahl!“ finde ich höchst interessant. Das es unter den ersten 100 Zahlen 25 Primzahlen gibt zwischen 800 und 900 jedoch nur noch 15, war erstaunlich. Nie hätte ich gedacht, dass die Dichte der Zahlen – je höher man kommt – kleiner wird. Auf die Idee so etwas nach zu weisen, muss man erstmal kommen..
Wahrscheinlich bist du sogar der einzige Mensch, der diese Zahlen je gezählt hat!
Ich las weiter und weiter und weiter, dann stieß ich plötzlich auf einen Punkt in diesem Buch, an dem sich alles verändert. Es war auf Seite 203 auf den letzten 13 Zeilen, als Litherwood und Hary plötzlich nicht mehr da waren..Die Leute, die dich also erst einmal nach Engalnd „verschleppt“ hatten, die Leute die dir Hoffnungen gemacht hatten, die Leute, die dich von deiner Familie weg gezerrt haben, waren plötzlich nicht mehr da. Sie hatten besseres zu tun!
Du warst allein, wie war das für dich?
Allein unter fremden Leuten, in einer fremden Umgebung..war das nicht komisch?
Du hättest immer wieder zu deiner Familie nach Indien zurück gehen können, warum hast du es nicht getan?
Jetzt, wo du so abhängig von Hardy warst, war er nicht mehr da. Doch anstatt zu deiner Familie zurück zu kehren, lebtest du in einer „Kaserne“? Warum?!?!
Ich wäre an deiner Stellen SOFORT nach Hause gefahren, denn ich wäre höchst wahrscheinlich depressiv geworden. Du hingegen hieltest deinen Kopf allein über Wasser, trotz der Kälte und der dauernden Müde. Und auch wenn zu dieser Zeit, an der du so einsam warst, Krieg herrschte, liest du dich nicht aus der Ruhe bringen..
„Niedlich“ finde ich auch, dass du trotz der weiten Entfernung zu deinen Eltern, deine Rituale, Sitten und sogar das fleischlose Essen ein hieltest.
Ich befinde mich nun auf Seite 289 deines Buches.
In der zwischen zeit bist du krank geworden, tot krank. Die letzte Zeit deines Lebens liegst du in einem Krankenhaus am ende der Welt. Und wieder hast du nichts anderes im Sinn, als über die Mathematik zu rätseln. Hattest du nicht noch den letzten Wunsch deine Familie noch einmal zu sehen? War dir das plötzlich so egal?
…
Heute noch ist deine Biografie, deine Feststellungen, einfach alles was du je gemacht hast, wertvoll und immer noch kann ich es nicht glauben, dass du all das was du getan hast, nicht wegen dem Geld gemacht hast, sondern aus nur einem einzigen Grund: Du wolltest deiner Familie so viel geben, wie du glaubtest wie sie verdienen. Ich denke du hast deine Familie mehr als glücklich gemacht, und darauf kannst du wirklich stolz sein!
Nun, auf die aller aller letzten Zeilen dieses Briefes, möchte ich gern noch etwas zitieren:
„Wenn man es radikal kurz ausdrückt, so hat Ramanujans Leben etwas, von der Frustration eines Zugs, der einem vor der Nase weg fährt. […] Sein Leben Leben hat keine zweite Hälfte, in der er sich hätte vollenden können. Daher versuchen wir jetzt, Jahre nach seinem Tod, ihm Sinn zu geben!“
Ich weiß, dass ich nie eine Antwort auf diesen Brief von dir bekommen werde, dafür ist es 90 Jahre zu spät, ich wollte dir nur meine Meinung zu diesem Buch erzählen!
Das hast du verdient!
Sei gegrüßt!
Ria Hopke